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Krieg, Flucht und Klimawandel im Zweistromland
Rojava bzw. Nordostsyrien: Eine kulturell und religiös sehr vielfältige Region im Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris und gleichzeitig ein Autonomiegebiet in Syrien. Politisch kann es als ein säkularer und demokratischer Versuch eines dritten Wegs zwischen der Diktatur Bashar al-Assad und den islamistischen Bewegungen betrachtet werden. Dort spiegeln sich auch einige der großen Themen unserer Zeit: die Ursachen von erzwungener Migration, der Umgang mit religiös motivierten Terrorist:innen, der Einsatz von Wasser als Waffe im Angesicht des Klimawandels, moderne Kriegsführung mittels Drohnen und die Frage nach der Form, dem Sinn und der Zukunft von Demokratie. Im Sommer 2023 reisten wir in das Gebiet, um uns diesen Fragen anzunähern. Vor Ort recherchierten wir zu den spezifischen Themen Flucht, Krieg und Klimawandel. Diese Podcastreihe verbindet die Geschichte und Ergebnisse dieser Reise mit aktuellen Themen und Gesprächen mit Menschen aus der Region – jene, die da geblieben sind, und jene, die nach Deutschland fliehen mussten. Außerdem kommen wir mit Expert:innen aus Politik und Wissenschaft ins Gespräch und ordnen Themenkomplexe und -zusammenhänge ein. All diese Themen, das haben wir auf der Reise gemerkt, sind mit großen Hoffnungen, aber auch viel persönlichem Leid verbunden. Denn Syrien ist ein traumatisiertes Land. 13 Jahre Bürgerkrieg und grauenhafte Terrorakte gegen die Zivilbevölkerung sowie ein permanenter Ausnahmezustand haben in jedem Menschen psychische und physische Spuren hinterlassen.
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Seit 2014 erlangte die Region international große Aufmerksamkeit im Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat (“IS”). In der Schlacht um die syrisch-kurdische Stadt Kobanê wurden die Islamisten Ende Januar 2015 zum ersten Mal militärisch besiegt. Immer weiter konnten der “IS” zurückgedrängt werden. Bis sie, 2019, ganz im Südosten in Baghuz, in unmittelbarer Nähe der irakischen Grenze, endgültig besiegt wurden. Der Blutzoll, den der 2015 gegründete kurdisch-arabische Milizenverband „Syrian Democratic Forces“ (SDF) für diesen Sieg zahlen musste, war enorm hoch. Etwa 11.000 Kämpfer:innen ließen ihr Leben in diesem Kampf.
Für viele, vor allem linkspolitische Menschen, ist Rojava / Nordostsyrien jedoch mehr als der Kampf gegen den „IS“: Es ist Symbol für die Sehnsucht nach tiefgreifenden, gesellschaftlichen Veränderungen, für die Hoffnung auf Geschlechtergerechtigkeit, Basisdemokratie und eine sozial-ökologische Transformation. Daher ist oft auch die Rede von der „Rojava-Revolution“. Doch inwiefern können sich in einem von Bürgerkrieg zerrütteten Land die Versprechen dieser „Revolution“ überhaupt realisieren lassen?
Um zu verstehen, was in Rojava/Nordostsyrien passiert, ist es also unerlässlich, einen allgemeineren Blick auf das zerrissene Land Syrien zu werfen. Der Krieg ist keineswegs vorbei. Es herrscht ein äußerst fragiles Gleichgewicht verschiedener Kräfte; jederzeit kann die Lage eskalieren.
De facto ist das Land viergeteilt: Im Osten und Süden sitzt der Diktator Bashar al-Assad wieder fest im Sattel. Der Nordwesten, also die Region Idlib, wird von Haiʾat Tahrir asch-Scham (HTS), einem islamistischen Zusammenschluss verschiedener Milizen mit großer Nähe zu al-Qaida, beherrscht. Außerdem hat die Türkei seit 2018 die Stadt und Region Afrin völkerrechtswidrig besetzt und einen etwa 100 km langen und 30 bis 40 km breiten Streifen zwischen den Städten Tell Abyad und Ras al-Ayn annektiert. Dort herrschen das türkische Militär und mit der Türkei verbündete dschihadistische Milizen. Der Nordosten Syriens wird von der Autonomen Administration Nord- und Ostsyrien kontrolliert. Anders als die anderen Gebiete war diese Region für uns zugänglich. Mit dieser Podcastreihe laden wir euch herzlich dazu ein, gemeinsam mit uns die Konfliktdynamiken Syriens, aber auch die Hoffnungen, den Alltag und die großen Herausforderungen, vor denen die Autonome Administration Nord- und Ostsyrien steht, kennen- und verstehen zu lernen.
Alternativ anhören auf:
„Wenn Wahlen etwas ändern würden, wären sie verboten.“
Dieser sehr bekannte Satz wird, je nach politischem Geschmack, Marc Twain, Kurt Tucholsky, oder Emma Goldmann zugeschrieben. Mit Blick auf die revolutionären Versprechungen in Nordostsyrien, kann man wohl sagen, dass es so einfach nicht ist. Denn es ist immer die Frage wo und unter welchen Umständen und was da genau auf welche Art und Weise gewählt wird? Und überhaupt: Wahlen in Syrien? Ist das nicht eine Diktatur und ein vom Bürgerkrieg zerrüttetes Land?
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Und genau aus diesem Grund schauen wir in unserer Previewfolge auf die angekündigten Wahlen in der Region. Die Autonomen Administration Nord- und Ostsyrien kündigte diese für das Jahr 2024 an. Jedoch wurden sie bereits zwei Mal verschoben. Welche Gründe dies hat und ob die Wahlen wie angekündigt stattfinden werden, das erfahrt ihr in dieser Folge. Wir sprachen dazu mit der kurdisch-syrischen Journalistin Khabat Abbas und dem Politikwissenschaftler Thomas Schmidinger. Letzterer lehrt momentan als Associate Professor an der Kurdistanuniveristät Hêwler (Erbil) im kurdischen Autonomiegebiet im Nordirak.